WIRED talks to Wolfe about her new album Raw Space
Beatie Wolfe steht auf Vinyl – und macht deshalb Augmented Reality
in schalltoter Raum, ein Plattenspieler, Musik – und ganz viel Hightech: Wenn die Singer-Songwriterin Beatie Wolfe ein Album präsentiert, hat das immer etwas von einer Zeremonie. Ab Freitag streamt sie eine Woche lang ihr neues Werk Raw Space und lässt zu jedem Song ein Augmented-Reality-Erlebnis entstehen.
Ihr erstes Album präsentierte sie als interaktive 3D-App, das zweite in Form einer Jacke, die auf Berührung mit Musik reagierte. Für ihre dritte Platte Raw Space hat die britisch-amerikanische Musikerin Beatie Wolfe nun ebenfalls eine Hightech-Premiere vor: Sie will ab dem 5. Mai aus einem schalltoten Raum heraus ihre Songs streamen.
Im Anechoic Chamber, das in den 1940ern in New Jersey gebaut wurde, herrscht absolute Stille. „Dort Musik aufzuführen, ist ein sehr zeremonielles Erlebnis“, sagt Wolfe, die eher zufällig während der Arbeit an ihrem Album bei Nokias Bell Labs Zugang zu dem Raum erhielt, in dem schon weltbekannte Künstler wie der Experimentalmusiker John Cage musizierten.
Als eine Art „Tempel für Töne“ habe sie den Raum empfunden, sagt die 29 Jahre alte Singer-Songwriterin. Sie will ihre neuen Songs von einer Schallplatte abspielen, nonstop einige Tage lang als Stream in alle Welt, kombiniert mit der Möglichkeit fürs Publikum, mithilfe des Smartphones, Tablets oder einer VR-Brille Augmented Reality dazu zu erleben: Noten, die aus dem Plattenspieler strömen, kleine Falter, die zur Melodie tanzen, und mehr.
WIRED: Beatie Wolfe, Sie spielen akustische Instrumente, und bei ihren Konzerten setzen sie kaum mehr als die notwendige Technik ein. Wie passt das mit den sehr technologisch-fortschrittlichen Präsentationen ihrer Alben zusammen?
Beatie Wolfe: Das wirkt wie ein Widerspruch, ja. Ich empfinde es aber als Fortführung meiner Begeisterung für analoge Schallplatten.
Musik ist körperlos geworden, das will ich ändern
WIRED: Das müssen Sie erklären.
Wolfe: Als Kind habe ich die Plattensammlung meiner Eltern geliebt. Die kunstvoll gestalteten Hüllen zu betrachten, die Geschichten hinter der Entstehung der Alben zu lesen, das Ganze als Kunstwerk an sich zu erleben – das bereitete mich stets auf ganz besondere Art auf die Musik vor. Ich liebte diese besondere Stimmung und nahm mir Zeit für die Musik. Digitalisierung hat die Art, wie wir Musik hören, drastisch verändert. Sie ist körperlos geworden. Und das will ich ändern: Mithilfe von Technologie gebe ich dem Musikerlebnis das Zeremonielle wieder, das Interaktive, Begreifbare, die Geschichte.
WIRED: Wer sich in ihren Stream ab dem 5. Mai einschaltet, muss Geduld mitbringen: Sie haben keine Pausen-Funktion und keine Möglichkeit vorgesehen, zwischen einzelnen Songs zu wechseln.
Wolfe: Das Wesen einer Zeremonie ist, dass sie einem bestimmten Ablauf folgt. Da sollte nicht von außen eingegriffen werden. Ich baue darauf, dass das Hörerlebnis an sich die Menschen packen wird: Normalerweise braucht man alle möglichen Werkzeuge, Plugins und Software, um einen nahezu perfekten Sound zu erreichen. Unser Feed aus dem schalllosen Raum heraus ist frei von allen Beeinflussungen. Das ist der wahre Charakter von Sound.
WIRED: Schallplatten sind mittlerweile ja fast wieder ein Trend. Greifen Sie den auf, indem Sie Vinyl einsetzen?
Wolfe: Der Trend freut mich, aber mir geht es mehr darum zu verdeutlichen, was für ein nahezu perfektes Medium Schallplatten und die dazugehörigen Hüllen waren. Sie erzählen Geschichten! Für unsere Performance haben wir also das Beste der analogen Welt mit dem Besten der digitalen Welt kombiniert.
WIRED: Haben Sie die Musik des Albums speziell auf dieses Erlebnis hin komponiert?
Wolfe: Ein Track meines Albums ist ein Song, den ich schon fast zehn Jahre mit mir herumtrage. Nun ist er da. Einen anderen habe ich erst kürzlich geschrieben. Das ist also eine Mischung, genau wie sich im Gesamtprojekt die einzelnen Songs mit dem verbinden, was ich gemeinsam mit Design I/O an visuellen Erlebnissen hinzugefügt habe.
WIRED: Worum geht es?
Wolfe: Meine Songs kommen immer wieder auf das eine Thema zurück: die Poesie und das Tragische menschlicher Beziehungen.
Den Stream aus dem schalltoten Raum findet ihr hier. Mehr zu Beatie Wolfe und ihren Projekten lest ihr bei WIRED UK.